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Dienstag, 9. Juni 2015

Korsika - Corte


"Demut gebietend und erhebend zugleich,

kaum etwas in der Natur flösst uns so viel Erfurcht ein 

wie der Anblick von Bergen."

(Kofi Annan, ghananischer Diplomat und Friedensnobelpreisträger) 

Seit einer Woche hänge ich in Corte fest. Das kleine Wanderparadies in der Mitte der Insel. Hier tausche ich mein Fahrrad gegen die Wanderschuhe ein.



Doch vorher habe ich noch eine grössere Challenge. Von Porto (Meereshöhe) aus führt mich mein Weg auf den höchst zu befahrenen Pass in Korsika, der Col de Verghio (1477m). Eine radelnde Holländertruppe rät mir vom Pass ab, sei viel zu steil – zwischendrin bis zu 20% Steigung! Ups... das recherchiere ich dann erstmal und siehe da, dem ist nicht so. Eingeschworen von der Landy Family starte ich früh am Morgen (6:30Uhr) in Porto. 
Es ist frisch, kein Mensch auf der Strasse und ein wirklich schöner Sonnenaufgang begleitet mich. Ganz langsam und stetig spule ich Kilometer um Kilometer ab. Uschi und Hobi hab ich gebeten ggf mir etwas Wasser zu spendieren, sie sind mit dem Auto unterwegs und wollen den Pass heute auch fahren. 

So früh am Morgen schlafen sogar die Schweine noch...

Die orangeglänzende Bergkulisse entschädigt für die Anstrengung schon während dem Aufstieg. Gegen 9 Uhr beginnt langsam der Verkehr einige Motorräder überholen mich und bis Evisa (mein ersten Ziel auf 900müM) auch nur ein Rennvelo! 


Pünktlich wie verabredet treffe ich um 10 Uhr in Evisa am Aussichtspunkt auf Uschi und Hobi. Nach meinem zweiten Frühstück geht es weiter. Ich fühle mich sehr gut. Die Strasse führt durch einen schönen Kiefernwald. Es duftet sehr stark und die Landschaft ist friedlich. Mehr Rennvelofahrer überholen mich und grüssen freundlich. Auf den letzten Meter begleiten mich zwei Frauen aus Australien. 

Oben angekommen bekomme ich einen kleinen Beifall und werde spontan zum Snack eingeladen. 13 Uhr bin ich oben, super ich hab es geschafft und blicke auf ein schönes Tal zurück. Vor mir liegt nun einen gute Abfahrt bis zum Camping. Nachdem ich mich bei John und Nico für den Snack bedankt habe lasse ich es rollen! Erstaunlicherweise ist der Wind kühl und es friert mich trotz windabweisender Jacke etwas.
 





Mittlerweile ist es in Korsika sehr heiß geworden, tagsüber sind bis zu 30°C und daher breche ich meist früher als sonst auf. 
Porto nach Corte:
86.7 km
1825 Höhenmeter
2 Tage

Die Fahrt nach Corte ist kurz und wunderschön! Nichts ahnend fahre ich in eine spektakuläre Schlucht – Scala di Santa Régina. Nicht der Gegenwind ist Schuld an meinem langsamen Vorwärtskommen, nein es ist die Landschaft. Immer schmaler windet sich die Strasse durch die Enge. 

Zum Glück sind wenig Autos unterwegs und ich kann überall anhalten wo ich möchte. Nach mehr als einer Stunde spuckt mich die Felslandschaft flussabwärts wieder aus. 


kleines Dorf am Hang
 Ein kleiner Anstieg ist noch zu bezwingen bevor ich nach Corte reinrolle. Der erste Eindruck: Das könnte auch Chur sein. Ich fühle mich gleich heimisch. Ich beziehe mein Basecamp im Camping U-Sognu und ich weiss, hier bleibe ich länger!






Corte - die Lage erinnert mich ein bisschen an Chur




Nun bin ich eine Woche in Corte. Es wird Zeit wieder die Strasse unter die Räder zunehmen. In der Stadt bin ich mitlerweile bekannt wie ein bunter Hund - mit Rastas ;-) und einem gelben Fahrrad. Die Kassiererin im Spar freut sich über meinen täglichen Besuch. Der Kellner im Café du Cours hat mir sogar erlaubt, das gekaufte Sandwich vom Bäcker essen zu dürfen. 

Der Eismann, Fred spendiert mir, seitdem ich das zweite Mal aufgetaucht bin, gratis Wasser. Wir kommen ins Gespräch und er empfielt mir eine tolle Wanderung, die nicht so viele kenne. 




Corte wird im allgemeinen als Ausgangspunkt für Wanderungen genutzt. Die einzige Universitätstadt in Korsika hat ein besonderes Flair. Sie wirkt auf mich jung und alt zu gleich. Vorzugsweise bewege ich mich in der Altstadt, die Neustadt hab ich nicht erkundet. 

Der Herr auf dem Sockel ist übrigens Herr Pascale Paoli. Er war DER Widerstandskämpfer und Revolutinär Korsikas. Er regiert 1755 bis 1768 vorübergehend Korsika und ernannte Corte zur Hauptstadt. Die Universität ist nach ihm benannt. Heute noch wird Corte von den Einheimischen als heimliche Hauptstadt gesehen.


 


spektakulär - die Citatelle in Corte

Der Lebensmittelladen von Jean-Marie Chionga ist der Hammer! So urig und kitschig zu gleich. Vollgestopft mit allem möglichen bis unter die Decke. Ich kann mich kaum drehen im Laden und dabei bin ich allein, keine weitere Kundschaft!

Wein und Olivenöl bezieht er für sein Geschäft aus der Balange, dem Garten Korsikas. Er behauptet stolz, dass er das älteste Geschäft Europas führt, es bestehe seit 1800. Dies tut er auf einigen Plakaten vor seinem Laden kund. Na, ob das stimmt?



Wanderung Talvignanotal

Sobald die Sonne da ist, wird es fast schon unerträglich heiß. Ich beschliesse sehr früh zur 4 Stunden Wanderung aufzubrechen. Um 6 Uhr laufe ich los. Es ist kühl, die Sonne geht langsam auf und keine Menschenseele ist auf der Strasse. 






Der Weg liegt noch im Halbdunkel vor mir und die Berge glühen breits im Morgenlicht. Der nicht mehr ganz volle Mond steht kurz über den Bergspitzen. Es ist ein Moment wie aus einem Traum. 
 

Ich komme auf dem Steinplattenweg sehr gut voran, es geht auf und ab. Meistens bewege ich mich im Schatten, die Kiefern und Kastanienbäume stehen teilweise dicht zusammen. 



Angekommen auf einem kleine Vorsprung öffnet sich vor mir ein tiefes felsiges Tal, der Fluss rauscht vor sich hin, die Vögel singen und der Weg ist an der Felswand gut sichtbar. Der alte Maultierpfad führt hinunter zum Fluss. 
Hier an der Russulinubrücke drehe ich um. Am Wasser ist es schön kühl, hier könnte ich verweilen. 
Der Gedanke an die aufkommende schwüle Wärme vor dem Tal erinnern mich an den Rückweg. Mein Picknick verschiebe ich auf den kleinen Vorsprung mit dem sensationellen Blick ins Talvignanotal.
Bereits um 11 Uhr stehe ich bei Fred und belohne mich mit einem leckeren Eis.




Wanderung Orientesee


Die Wanderung zum Orientesee ist ein Teil des Aufstieges zum Monte Rotondo (2622m). Voller Elan denke ich, dass ich auch auf den Berg hinaufgehen könnte. Bis mir dann ein Einheimischer sagt, dass man zu dieser Jahreszeit Steigeisen benötigt, da noch Schnee liegt. Gut, dann halt nur bis zum See. 

Der Einstieg für die Wanderung liegt ca. 11 km im Restonicatal vom Camping entfernt. Ich laufe 6:30Uhr auf dem Camping los um per Autostopp zum Ausgangspunkt zugelangen. Doch die Korsen und die Touris scheinen noch zu schlafen. Ich bin schon 3km gelaufen, bis mich ein Korse mit seinem Hund mitnimmt. Der Start liegt auf 1000müM, es sind 3h angeschrieben. Mein Ziel der See wartet auf 2065müM. 7:30Uhr laufe ich ab. 

Der Weg ist steinig, rutschig und steigt schnell an. Wieder geht es durch einen Kiefernwald im Zickzack steil bergauf. Ich schwitze jetzt schon und das im Schatten. 


 

Auf dem Kamm angekommen, hab ich einen tollen Blick über die Berglandschaft. Eine kurze Pause um diesen Moment zu geniessen liegt drin. Für den weiteren Aufstieg gibt es nun keinen Schatten mehr, es geht steil aufwärts. 

Dann erblicke ich die ersten Bergspitzen vom Monte Rotondo. Es erinnert mich ein klein wenig an Patagonien. Ich hab die Torres de Paine zwar nicht gesehen, aber von den Bildern her,könnte es Minipatagonien sein.


Ein Wasserfall ergiesst sich über die Felsen im Vordergrund, das muss der Abfluss vom See sein. Es ist nicht mehr weit. Ha... denkste, ich laufe und laufe und der Wasserfall kommt einfach nicht näher. Immer wieder windet sich der Weg über Steine und Felsen. Kurz vor dem Ziel bin ich völlig unterzuckert und mein Körper zwingt mich zu einer Pause. Bisher hatte ich nur einen Tourist gesehen, der war auf dem Abstieg. Sonst niemand hier oben in der Gebirgswelt. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel und die ersten sehr dunklen Wolken ziehen auf. Mit Sorgen beobachte ich das Geschehen am Himmel. Leichte Panik überkommt mich, sollte ich umdrehen? Dank des Glycoramins bin ich schnell wieder mit meinen Gedanken beim wesentlichen. Ich esse noch etwas und warte. Da kommt ein Franzose vorbei gejoggt, ich beobachte ihn und merke mir den Weg. In Koriska sind die Wanderwege tw. recht schlecht beschriftet. Auf dieser Wanderung bin ich 3x vom Weg abgekommen. Dank meines GPS, auf das ich vorher die Route geladen hatte, finde ich problemlos zurück. Nach meiner Pause gehe ich weiter. Ich quere noch ein letztes Mal den Fluss und nach 10 Minuten stehe ich 10:08 Uhr vor dem kleinen See! 



Und ich wollte umdrehen, das wäre sehr ärgerlich gewesen, zumal ich in 2h und 40min oben war. Die Wolken am Himmel wachsen im rasenden Tempo und ich kann den See nicht wirklich geniessen, nach nur 15 Minuten trete ich den Rückweg an. 
Der Abstieg ist nicht ganz einfach, die Knie schmerzen und der rutschige Untergrund ist immer für eine Überraschung gut. Ich treffe insgesamt noch sieben Leute die im Aufsteig sind, mehr nicht. Das ist eine einsame Wanderung im vergleich zum Massentourismus am Melosee (einstündige Wanderung am Ende des Restonicatals). Zurück an der Strasse hält gleich das erste vorbeifahrende Auto, 2 Holläner, sie nehmen mich mit bis nach Corte. Ich bin Mittag 12:30 Uhr zurück. Traumhaft, ein Eis und eine Siesta stehen jetzt noch an. Am Nachmittag regnet und gewittert es dann tatsächlich.  
 


Wanderung Arche di Corti

Der Tipp von Fred, stellt sich als absoluter Glücktreffer raus. Diese Wanderung finde ich nicht mal im Wanderführer. Ich lade einen GPS Track aus dem Internet auf das GPS und suche noch einen Mitstreiter. Fred meinte diese Wanderung ist schwierig, steil und mit Kletterei verbunden. Irgendwie ist es wie verhext, ich finde niemanden und am Tag drauf sagt mir Fred, jemand anders sucht auch einen Mitwanderer, aber der sei heute schon hochgegangen usw. 

Letztendlich beschliesse ich allein zu gehen und ggf umzukehren wenn es zu heikel wird. Ganz kurzentschlossen kommt Helena dann doch noch mit. Helena und Hugo sind aus Luzern und mit dem Wohnmobil auf dem Camping. 


Ich verstehe mich sehr gut mit den beiden, wir verbringen einen Nachmittag miteinander in Corte. Hugo muss sein Knie noch schonen, Helena würde gern mitkommen. Super, also los geht’s. 

Wir laufen gegen 6 Uhr ab, der wolkenlose Himmer verspricht wieder einen heissen Tag. Im Sonnenaufgang steigen wir auf einem Kamm bergaufwärts. 






Kurz nach Sonnenaufgang erreichen wir ein kleines Kiefernwäldchen, der Boden ist mit saftiggrünem Farn bedeckt. Der Weg schlängelt sich zart hindurch. Bald kommen wir an eine steinige Stelle, es geht steil hoch. Auf einer kleinen Lichtung blicken wir auf ein weiteres geniales Bergpanorama. 




Wieder ein Jogger überholt uns und kommt auch schon bald wieder runter. Wir fragen ihn wie weit es für uns noch ist, er meint eine Stunde noch, es war 8:15 Uhr. 


 


Und er sollte recht behalten, die letzten 250 Höhenmeter sind mit leichter Kraxelei verbunden und wir schauen immer wieder an den Bergen hinauf und suchen den Steinbogen. Nichts. Hm... der muss doch bald mal kommen! Mein GPS verrät auch nicht den Ankunftspunkt. Und plötzlich steht er direkt vor mir, da er sich vom Hintergrund nicht abhebt, ist er schlecht zu erkennen. 

Wo ist er denn? Findet den Steinbogen...
Wir sind am Ziel und der Steinbogen ist wunderschön, grösser als ich dachte und gigantisch anzusehen. Ich bin so glücklich, das ich hierher gefunden hab. Einfach toll!






 Wir machen viele Fotos und picknicken gemütlich.


 


Dabei beobachten wir den Himmel, es ist ein Gewitter für Mittag angekündigt und die ersten Wolken türmen sich auf. Bald machen wir uns an den Rückweg. Insgesamt treffen wir 8 weitere Wanderer. Wir waren die zweiten oben, nach dem Jogger :-)

In praller Mittagshitze erreichen wir 12:30 Uhr Corte und sind froh so früh gestartet zu sein. Immerhin waren es 1200 Höhenmeter.
Nach meinem obligatorischen Eis, begeben wir uns zur Siesta. 14 Uhr beginnt es, das Gewitter!

Wiedermal alles richtig gemacht.

Nun wird es Zeit... ich muss das Café  in dem ich sitze und Bericht schreibe verlassen um mein letztes Eis bei Fred zu essen...

Liebe Grüsse und bis bald

Mokie





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